Der kleine Tyrann

Der kleine Tyrann

Sicht des Nachbarn

Eines wunderschönen Abends war Frank Hirsebauer wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachgegangen: dem Ausspionieren seiner Nachbarn. Frank war ein leidenschaftlicher Beobachter und hatte ein Fernglas, mit dem er die Aktivitäten in der Nachbarschaft genau verfolgte. Er führte Buch darüber, was und wann jemand etwas machte, und hatte sich eine kleine Sammlung von Anekdoten und kuriosen Begebenheiten angelegt. Doch an diesem Abend sollte er etwas erleben, das er so noch nie gesehen hatte.

Als Frank durch sein Fernglas schaute, bemerkte er, dass bei Familie Schmid etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Neugierig geworden, holte er sich schnell Popcorn und nahm seine Videokamera zur Hand, um das Spektakel für die Nachwelt festzuhalten. Hirsebauer beobachtete, wie Anton Schmid sein einjähriges Kind fütterte. Doch anstatt wie die meisten Eltern zu handeln, war Anton mit einer Leiter in den zweiten Stock geklettert und gab seinem Sohn von dort den Brei zu essen. Um das Ganze noch skurriler zu machen, benutzte er ein langes Bambusrohr, an dem ein Löffel befestigt war.

Antons Frau lag auf dem Schrank und sah amüsiert zu, während das Dienstmädchen neben ihr stand und bei jedem Löffel Brei eine Rassel schüttelte. Die ganze Szene war so absurd und komisch, dass Frank Hirsebauer vor Lachen kaum stillsitzen konnte. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie so viel gelacht wie an diesem Tag.

Seitdem schaute er sich das Video immer wieder an, wenn es ihm nicht gut ging. Jedes Mal, wenn er die skurrile Fütterung sah, fühlte er sich besser. Man sagt ja, Lachen ist gesund, und für Frank war es eine willkommene Ablenkung von seinem eigenen Alltag.

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